Bei Brigitte und Walter
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Negatives Beschleunigen

Negatives Beschleunigen

"Bist Du schon mal 200 km/h gefahren?“
KLAR!!!!!!!


„Hast Du schon mal aus nur 100 km/h eine Vollbremsung gemacht?“
SPINNST DU !!!!


Sind die Fragen und die dazugehörigen häufigsten Antworten! Beim Gas geben haben die wenigsten Biker Hemmungen, ist ja auch irre faszinierend. Wenn es aber um die negative Beschleunigung geht, wird meist nach fadenscheinigen Ausreden gesucht. Dabei lügt Ihr Euch selbst an. Denn Motorradfahren sollte nur ganz wenig mit Glück zu tun haben, sondern vielmehr mit Können und vor allem mit Köpfchen. Nur wer die fahrphysikalischen Zusammenhänge versteht, kann es fahrpraktisch üben und die „Geschichte, die einem das Motorrad erzählt“ richtig deuten!

Beim Bremsen wird die kinetische Energie, also die Bewegungsenergie des fahrenden Motorrads durch Reibung in Wärme umgesetzt. Die Bewegungsenergie wächst quadratisch mit der Geschwindigkeit. Die Faustformel, die auch in der Fahrschule gelehrt wird lautet. S=(V/10) x (V/10)

Da nach dem heutigen Stand der Technik aber weitaus höhere Verzögerungswerte erreicht werden, als es diese Formel, die übrigens schon ein paar Jahre alt ist, beinhaltet, kommt man auf einen einigermaßen realistischen Wert, wenn man das einfach zu rechnende Ergebnis der Fahrschulformel halbiert.

Die eigentliche Verzögerung hängt ab von den Reibungsverhältnissen zwischen Bremsbelag und Scheibe / Trommel und von den Reibungsverhältnissen zwischen Reifen und Fahrbahn. Da moderne Bremsanlagen einen so hohen Reibwert in der Bremse selbst aufbauen, also bei nahezu jeder Geschwindigkeit die Reifen zum Blockieren gebracht werden können, soll hier nur der Kraftschluss im Latsch (Reifenaufstandsfläche) von Interesse sein.

Grundsätzlich kann bei einer Kraftübertragung durch Reibung (Kraftschlüssige Verbindung) die übertragbare Bremskraft bestenfalls der Radlast entsprechen. Das bedeutet übrigens, dass der geübte Soziusbremser gleiche Bremswege erreicht als der Solofahrer, vorausgesetzt das Motorrad ist nicht überladen und somit die Bremsanlage überfordert. Natürlich muss der Soziusbremser seinen Bremsdruck dem Beladungszustand anpassen, was bedeutet, dass er stärker bremsen muss.

Also: Mehr Gewicht = mehr übertragbare Bremskraft; damit wird die höhere Trägheitskraft wieder ausgeglichen und an dem machbaren Bremsweg ändert sich nichts.

Auf trockenem Asphaltbeton bei einem Reibwert von 1 kann maximal eine Verzögerung erreicht werden, wie sie der Beschleunigung eines Körpers im Schwerefeld der Erde entspricht. A max.= 9,81 m/s2

Da der Reibwert je nach Fahrbahnverhältnissen (Fahrbahnmarkierungen, Nässe, Belagwechsel,...) deutlich kleiner 1 sein kann, verringert sich auch entsprechend die mögliche Bremskraft, der Bremsweg wächst.
 

Phasen des Bremsablaufs:

Die Zeit zwischen dem Erkennen einer Gefahr und dem Einsetzen der vollen Bremswirkung bezeichnet man als Verlust - Grundzeit:
Diese ist abhängig von der Reaktionszeit des Fahrers (ca. 0,5 sec. bei erhöhter Aufmerksamkeit) und der Ansprech-, sowie Schwellzeit der Bremskraft, bis diese ihre endgültige Größe erreicht.

Während dieser Verlust - Grundzeit wird kaum Geschwindigkeit abgebaut, was bedeutet, dass mit zunehmender Geschwindigkeit nicht nur der eigentliche Bremsweg wächst, sondern auch der Weg, den das Motorrad während der Verlust - Grundzeit zurücklegt.

Ohne Reaktionszeit des Fahrers ergibt sich aufgrund der Ansprech- und Schwellzeit eine realistische mittlere Verzögerung, die bei ca. 70 - 80% der max. Verzögerung liegt.

Der Anhalteweg setzt sich also aus dem Weg den das Motorrad während der Verlust - Grundzeit zurücklegt und dem Bremsweg zusammen.

Nimmt man für die Verlust - Grundzeit 1 Sekunde und für die Bremsverzögerung 8 m/s2 an, dann lassen sich die Anhaltewege für verschiedene Ausgangsgeschwindigkeiten errechnen.

Diese Werte ergeben sich aufgrund der Fahrphysik! Diese lässt sich bekanntlich nicht manipulieren.
 
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Bremswege - HUK Verband

 

Was ist eigentlich Schlupf?

Wird ein Rad beschleunigt oder abgebremst, rollt es nicht exakt auf der Fahrbahn ab, sondern es dreht etwas schneller oder langsamer als es der Fahrzeuggeschwindigkeit entspricht. Somit befindet sich das Rad in einem Bereich, in dem es sowohl haftet, als auch gleitet. Den Anteil der Gleitreibung bezeichnet man als Schlupf.

Zwei Extreme:
Das Hinterrad dreht beim Beschleunigen durch, ohne dass sich das Motorrad von der Stelle bewegt (Burn-out) = 100% Schlupf.
Bei einer Blockierbremsung stehen alle Räder (Bitte nie mit dem Motorrad ausprobieren), das Fahrzeug bewegt sich aber weiter fort = 100% Schlupf.

Fährt das Fahrzeug mit drehenden Rädern, die tatsächlich zurückgelegte Strecke stimmt aber nicht mit der überein, die sich bei reinem Rollen (schieben) ergeben müsste, so errechnet sich der Schlupf aus dieser Wegdifferenz.

z.B. Bremsweg eines Motorrads 20 m, Vorderradumfang 2 m
Das Vorderrad hat sich während der Bremsung 8x gedreht. Der Schlupf beträgt hierbei 20%. Bei reinem Rollen ergäbe es eine Strecke von 16 m. Das Verhältnis 20:16 ist gleich 20%.

Der optimale Reibwert bei Beginn des Bremsvorgangs liegt bei ca. 10 - 40% Schlupf (Je nach Reifen, Luftdruck, Fahrbahnbeschaffenheit).

Wird der Schlupf größer, fällt der Reibwert wieder etwas ab. Bei rollenden Rädern und optimalem Schlupf werden also höhere Bremskräfte übertragen als bei blockierten Rädern mit 100% Schlupf.

Also ist das Bremsen mit blockierten Rädern aus physikalischer Sicht nicht sinnvoll. Zudem kann ein blockiertes Rad keine Seitenführungskraft übertragen und damit keine Lenkkräfte.

Die optimale Seitenführung hat ein frei rollendes Rad. Ein blockiertes Hinterrad ist in der Regel kontrollierbar, zumindest wenn aus der Geradeausfahrt gebremst wird.

Ein blockiertes Vorderrad jedoch kaum, wird nicht rechtzeitig die Bremse gelöst, hat das zwangsläufig einen Sturz zur Folge.
 

Die dynamische Radlastveränderung:

Wie bereits erwähnt, sind von einem geübten Fahrer mittlere Bremsverzögerungen von ca. 8 m/s2 erreichbar. Dabei übernimmt das Vorderrad den Löwenanteil der gesamten Bremsarbeit in Höhe von ca. 77 - 81 %. Entsprechend geringer ist der Anteil der Hinterradbremse.

Die Bremskräfte greifen an der Reifenaufstandsfläche an, also unten auf der Fahrbahn und wirken entgegengesetzt der Fahrtrichtung (Negative Beschleunigung). Die Massenträgheit (also das System Fahrer/Fahrzeug) wirkt aber im Gesamtschwerpunkt, also hoch über der Fahrbahn. Das Drehmoment nach vorn, welches hierdurch entsteht, ist abhängig von dem Radstand des Motorrads und von der Schwerpunkthöhe. Das Vorderrad wird somit stärker belastet und das Hinterrad um den gleichen Betrag entlastet (im Übrigen völlig unabhängig von sog. Anti-Dive Systemen o. Vorderradschwingen, also vom Eintauchen des Motorrads).

Die dynamische Radlastverlagerung ist umso stärker, je kürzer der Radstand und je höher der Schwerpunkt eines Motorrads ist.

So kommt es, dass Sportmaschinen (Kurzer Radstand, weiche Gummimischung der Reifen) bei starken Verzögerungen zum Abheben des Hinterrads mit Überschlaggefahr neigen, was bei Tourenmotorrädern oder gar Choppern eher nicht vorkommt. Wenn der Fahrer des Sportmotorrads die Bremskraft der Vorderradbremse beim Abheben des Hinterrads zu spät reduziert, kann das einen Überschlag des Motorrads zur Folge haben.

Die optimale Bremskraftverteilung ist von der Belastung abhängig (Beladung, Sozius), so gewinnt die Bremsleistung der Hinterradbremse trotz dynamischer Radlastverschiebung bei hoher statischer Last wieder etwas mehr an Bedeutung.
 

Die optimale Gefahrbremsung:

Die optimale Gefahrbremsung ist dann gegeben, wenn der Fahrer während der gesamten Bremsung Vorder- und Hinterrad im optimalen Schlupfbereich von etwa 20-25% hält. Da sich aber im Verlauf einer Bremsung die Reibwerte in der Bremsanlage verändern (optimal erst bei einer Bremsbelagtemperatur von 250 - 300 °C), von den Reibwertveränderungen der Fahrbahn ganz zu schweigen, muss er die jeweiligen Bremsdrücke an Vorderrad und Hinterrad hochsensibel regeln. Und damit dürfte auch der noch so geübte Fahrer überfordert sein, denn der Mensch ist aufgrund seiner psychomotorischen Ausstattung nicht in der Lage die fahrphysikalischen Forderungen an optimales Bremsen umzusetzen und schon gar nicht, wenn der Feind „Schreck“ dazukommt.

Wer also möglichst optimal bremsen will, so wie es eine Notsituation nun mal fordert, kommt nicht umhin, sich vorrangig auf die Dosierung der wichtigeren Vorderradbremse zu konzentrieren. Die Hinterradbremse sollte aber nicht gänzlich außer Acht gelassen werden (zu verschenken hat man nichts), sondern bei Geradeausbremsungen aus innerstädtischem Tempo schlagartig blockiert werden. Vorne dosiert - hinten blockiert

Eine Regel mit Ausnahmen:
Nicht in der Kurve (es muss auch die Hinterradbremse dosiert werden)
Bei sehr glatter oder gewölbter Fahrbahn muss die Hinterradbremse gelöst werden, wenn infolge Blockieren des Hinterrads das Motorrad gefährlich instabil wird. Das wieder anrollende Hinterrad baut sofort Seitenführungskräfte auf, die das Motorrad stabilisieren.

Nur sollte der Fahrer vorher gelernt haben, dabei nicht auch die Vorderradbremse zu lösen........!
 

Bremsen

„Verliere die Angst, aber nie den Respekt“!
Für das optimale Bremsen gibt es leider kein allgemeingültiges Handlungsmuster, welches exakt für jeden Motorradfahrer, jedes Motorrad und für jede Situation gleichermaßen gilt.

Es gibt aber ein gemeingültiges Rezept für jeden Fahrer in jeder Situation: Man sollte alles dafür tun, um eine Gefahrbremsung von vornherein zu vermeiden, also so vorausschauend und vorausplanend fahren, eine Gefahr so rechtzeitig erkennen oder erahnen, dass ein Notmanöver erst gar nicht erforderlich wird.

Und trotzdem sollte es trainiert werden, für den Fall der Fälle oder wenn es am Quäntchen Glück fehlt und überhaupt sind eigene oder von anderen begangenen Fehler schließlich menschlich, oder?

Vor allem aber sind Bremsübungen durchaus förderlich für eine gute Beziehung des Fahrer - Maschine - Teams. Denn wem genügt es nur zu wissen, wie sich das Motorrad beim Beschleunigen, Kurvenfahren, oder auch im Schneckentempo verhält und anfühlt? Das langsame Herantasten an die größtmögliche Verzögerung gibt einem durchaus auch ein gutes Gefühl der Sicherheit und das damit verbundene Wohlfühlen braucht man bekanntlich fürs lockere Unterwegssein mit seinem Bike.

Beim Sicherheitstraining geht es zunächst um Einzelradbremsungen, um jede einzelne Bremse erst einmal für sich kennen zu lernen, damit man sich vorerst nur auf einen Teil des kompletten Bewegungsablaufs konzentrieren muss. Zudem sollte/kann die jeweilige Bremse ganz bewusst überbremst werden, also bis zum Blockieren des jeweiligen Rads, um die Rückmeldung zu erhalten, wie sich eine Radblockade ankündigt und wie groß die Betätigungskräfte bis zum kritischen Bereich maximal sein dürfen.

Weiterhin erfährt man, dass ein blockiertes Rad nicht zwangsläufig zum Sturz führen muss, die Fahrstabilität zum Teil jedoch gefährlich beeinträchtigt wird.

Bei der dosierten Vorderradbremsung ist wichtig, dass der so genannte Leerweg des Bremshebels (also die ersten paar Millimeter Hebelweg, ohne dass eine Bremswirkung einsetzt) schnell überwunden wird. Also schnell ran bis zum Druckpunkt (Bremswirkung baut sich auf). Dann ganz kurz (eigentlich nicht nachvollziehbar kurz) warten, bis sich die dynamische Radlastverschiebung vollzogen hat. Anschließend wird möglichst viel Bremsdruck eingesteuert, also möglichst nahe an die Blockiergrenze gegangen, aber nicht darüber hinaus- sonst LÖSEN (kostet Bremsweg, vermeidet Sturz).

Tip (zum Vorsagen und mental Trainieren):
 
B R E M S E N
Schnell bis zum Druckpunkt
Dosiert, möglichst viel, aber nur soviel, dass das Vorderrad eben nicht blockiert

Der benötigte Kraftaufwand, mit dem der Bremshebel gezogen werden muss ist abhängig von der Bremsanlage selbst, der Fahrbahnbeschaffenheit, der Reifen, der Gummimischung derselben, dem Luftdruck, der Temperatur...und kann daher nie genau definiert werden. - SPÜREN; FÜHLEN; HANDELN - denn Bremsen wird immer hochgradig bewusstseinspflichtig bleiben.

GEFAHRBREMSUNG:
Bei der Gefahrbremsung geht es darum, die Einzelradbremsungen miteinander zu verbinden.
Bei Geradeausfahrt, griffiger Fahrbahn und innerstädtischem Tempo gilt folgende Handlungsempfehlung:

- Kupplung schnell
- Hinten blockiert
- Vorne dosiert

In anderen Fahrsituationen (wesentlich höhere Geschwindigkeit, Kurve...) kann auf die Seitenführung des Hinterrades nicht verzichtet werden. Wenn es im Verlauf einer solchen Bremsung zur Hinterradblockade kommt, sollte man in der Lage sein, die Hinterradbremse zu lösen, ohne dass die Vorderradbremse gleichzeitig mitgelöst wird und das erfordert viel vorheriges stressfreies Training.

Ein ABS ist gerade deshalb eine wünschenswerte Unterstützung.
 

ABS

Die mit den heutigen ABS-Generation erzielbaren Bremswege zu unterbieten, ist selbst für den routinierten Motorradfahrer ohne ABS sehr schwer. Muss aus hoher Fahrgeschwindigkeit heraus oder auf nasser Fahrbahn gebremst werden, so geht auch ein geübter Motorradfahrer ohne ABS zu Beginn der Bremsung oft zu zögerlich zu Werke. Herrschen auf der Fahrbahn niedrige Reibwerte oder gar wechselnde Griffigkeit wird die Bremsung ohne ABS schnell zum Vabanque-Spiel zwischen Bremsweg verschenken und Sturz. Zudem stellt ABS durch die Verhinderung des Blockierens der Räder die Fahrstabilität sicher, was um so mehr an Bedeutung gewinnt, je ungünstiger die Fahrbahnbedingungen sind.

Und: Der Feind ist der Schreck!

Jeder noch so routinierte Fahrer neigt in einer Schrecksituation intuitiv zum Überbremsen. Das ABS ist wie eine Versicherung für solche Situationen, denn es verhindert einen Sturz durch Überbremsung und nutzt die mögliche Verzögerung optimal aus.
 

Für das Training

Stellt das ABS-Motorrad ein ideales Übungsgerät dar, denn wer ohne Sturzgefahr die Blockiergrenze überschreiten kann, dem gelingt ein optimales Bremstraining. Bei der neuen ABS-Generation bemerkt der Fahrer nur mit größter Aufmerksamkeit den Regelbereich, wobei der einsetzende Regelvorgang immer eine gefahrlose Rückmeldung der Haftgrenze ist (daher auch zum „Testen“ der Griffigkeit einer kritischen Fahrbahndecke geeignet). Für den ABS Fahrer gilt bei der Vollbremsung folgendes Handlungsmuster:

Blick: Weit voraus
Sitz: Knie fest am Tank, Arme fest, aber nicht durchgesteift, untere Rückenmuskulatur angespannt.
Bedienung: Kupplung schnell ziehen, vorne und hinten voll bremsen.

Jeder Fahrzeugwechsel macht ein „Einbremsen“ erforderlich, so muss ein ABS-Fahrer, der mit einem Nicht-ABS-Motorrad bremst, sich erst wieder mit der richtigen Dosierung der Vorderradbremse bei Geradeausbremsung auseinandersetzen und den Lösereflex erlernen, ebenso das Lösen der Hinterradbremse (wenn erforderlich), ohne dabei die Vorderradbremse zu lösen.

Andersherum muss ein Motorradfahrer, der zum ersten Mal ein ABS-Motorrad abbremst, lernen, sich zu trauen, der Technik zu vertrauen und seine Hemmschwelle abzubauen - denn er kann jetzt den Bremshebel voll zuziehen und auch das will gelernt sein. Jeder Motorradtyp hat nun einmal aufgrund seiner konstruktiven Auslegung (Bremsanlage, Reifen, Geometrie...) bestimmte Eigenheiten, die ein spezielles Training mit Fahr- und Bremsübungen erforderlich machen.

Im Gelände kann ein stehendes (blockiertes) Rad wirksamere Verzögerungen erbringen, da es einen Keil vor sich aufbaut und dieser Widerstand zusätzliche Verzögerung bringt. Daher gibt es bei Geländemotorrädern, wie etwa der BMW R 1150 GS ein abschaltbares ABS.

Im Rennsport kommt es auf 6 kg Gewicht beim Beschleunigen und auf das letzte Quäntchen beim Verzögern an einer bestimmten Stelle an, so verzichtet der Profi auf ABS und muss sich auf sein persönliches Training und die eigene Fahrkunst verlassen.
Allerdings bleiben die Vorzüge des ABS für den „Normalfahrer“ im Straßenverkehr davon unberührt.

In der Kurve ist das ABS selbstverständlich voll funktionsfähig, es muss allerdings mit fahrdynamischen Effekten (extreme Brems-Lenkmomente, pulsierender Reifenschräglauf) gerechnet werden, die den Einsatz während der Kurvenfahrt problematisch machen. Auf dieses Problem wird an späterer Stelle nochmals genauer darauf eingegangen werden.

Nur wer fertige Programme abrufen kann - und zwar sofort das jeweils richtige, für Korrekturen sind die Chancen meist schlecht - fährt sicherer.
 

Bremsen in der Kurve

Zunächst die fahrphysikalischen Hintergründe:
Wie bereits erwähnt, sind die vom Rad auf die Fahrbahn übertragbaren Kräfte abhängig von der Reibpaarung Reifen/Fahrbahn und von der Radlast. Bei Überschreitung des maximalen Kraftschlusses gleitet das Rad und kann keine Seitenführung mehr aufbauen.

Die Reifenaufstandsfläche muss Kräfte in Längs - (Umfangs-)Richtung übertragen, nämlich beim Bremsen sowie Beschleunigen und ebenso Seitenkräfte beim Kurvenfahren. Da die maximal übertragbare Kraft begrenzt ist, ist es leicht einzusehen, dass bei voller Ausnützung der Kraftübertragung für eine Richtung für die andere nichts mehr übrig bleibt.

Wird objektiv maximale Schräglage gefahren (also unter voller Ausnutzung der Seitenführungskraft) führt jedes zusätzliche Bremsen oder Beschleunigen zum Überschreiten der Haftgrenze - das Rad gleitet. Umgekehrt steht bei voller Ausnutzung der Beschleunigungs- oder Bremskräfte keine zusätzliche Seitenführungskraft zur Verfügung. Man kann nicht mehr ausgeben als man hat. Wird die übertragbare Seitenkraft nicht voll ausgenützt, stehen folglich noch Reserven für die Umfangskräfte zur Verfügung und umgekehrt - nur eben in begrenztem Maß.

Die Gesamtreibkraft ist konstant. Man muss sich den jeweils vorhandenen Kraftschluss demnach aufteilen. Die Zusammenhänge zwischen Seitenführungs- und Umfangskräften sind im so genannten Kamm'schen Kreis dargestellt.
 
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Bei 100% Bremskraft befindet man sich auf dem Kreis am Punkt 1. Hier ist der Anteil der Horizontalen, also der Seitenkräfte gleich Null, es können weder nach links noch nach rechts Seitenführungskräfte aufgebaut werden.

Am Punkt 2 hat sich die Bremskraft reduziert und eine Seitenführungskraft nach rechts aufgebaut. Der Fahrer durchfährt bremsend eine Kurve im Grenzbereich. Jedes Mehr an Seiten- oder Umfangskraft führt zum Wegrutschen der Räder.
 
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Hier ist der Grenzbereich überschritten. Die Addition von Seiten- und Bremskraft ergibt eine Resultierende, die größer ist als die Gesamtreibkraft. Das Fahrzeug rutscht tangential aus der Kurve.

Wenn die Griffigkeit der Fahrbahn, d.h. die Gesamtreibkraft vermindert ist, sind natürlich auch die übertragbaren Seiten- und Umfangskräfte vermindert.
 
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Der Kamm'sche Reibungskreis ist ein Rechenmodell.
In der Realität nimmt der Kamm'sche Kreis eher die Form eines Ovales an, da Umfangs- und Seitenkräfte unterschiedliche Beträge haben, was sich aus dem konstruktiven Aufbau des Reifens ergibt. Das bedeutet, dass sich die Kräfte jeweils überlagern. Daraus ergibt sich die resultierende Größe geometrisch. Die geometrische Addition bringt es mit sich, dass bei einem kombinierten Fahrmanöver die jeweiligen Kraftanteile für Seiten- und Umfangskraft größer sind, als es bei einfacher Addition zu erwarten wäre. Z.B. stehen bei einer Ausnutzung der möglichen Seitenkraft von 80% noch ca. 60% Umfangskraft zur Verfügung.
Allerdings gelingt es selbst geübten Fahrern kaum, beide Werte umzusetzen, zumal sich durch das Einfedern des Motorrads in der Kurve die Bremskraftverteilung ändert und bereits das Überbremsen nur eines Rades den Sturz zur Folge hat, selbst wenn die mögliche Gesamtbremskraft nicht überschritten wird.

Ein weiterer Effekt, der das Kurvenbremsen mit Motorrädern kritisch macht, ist das Aufstellmoment. Das Motorrad richtet sich ohne Fahrerzutun auf und möchte die Kurvenlinie in tangentialer Richtung verlassen.
 
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In Schräglage wandert die Reifenaufstandsfläche Richtung Kurveninnenseite und zwar um so weiter, je breiter der Reifen ist.

Wird nun mit der Vorderradbremse gebremst, wirkt der entstandene Hebelarm zwischen der Fahrzeuglängsachse (=Lenkachse) und dem Aufstandspunkt zusammen mit der eingeleiteten Bremskraft und so entsteht ein Drehmoment um die Lenkachse. Dadurch wird das Vorderrad zusätzlich zur Kurveninnenseite eingeschlagen und das Motorrad richtet sich somit auf (vgl. umgekehrtes Lenkverhalten, Kreiselkraft).

Das Bremslenkmoment (Produkt aus Bremskraft und Hebelarm) wächst somit mit zunehmender Reifenbreite und zunehmender Bremskraft.
 

ABS in der Kurve

Das Bremslenkmoment bei einem im ABS-Regelbereich gebremsten Motorrad erreicht Spitzenwerte bis zu 150 Nm und ist vom Fahrer nicht zu kompensieren.

Je stärker die ABS-Regelung pulsiert, desto stärker pulsiert auch der Radschräglauf, welcher ständige Rollwinkelstörungen erzeugt und dem Fahrer ständig ein seitliches Wegrutschen ankündigt bzw. vortäuscht. Die Technik arbeitet daher ständig daran, dass das Pulsieren kaum mehr spürbar wird.

Bei leichter Schräglage (max. 20°) kann bis in den Regelbereich hinein gebremst werden, vorausgesetzt die Fahrbahnbedingungen sind optimal. Ansonsten muss mit dem ABS-Motorrad in der Kurve genau so dosiert gebremst werden, wie mit einem Motorrad ohne ABS.

Also ist für den ABS-Fahrer wichtig zu wissen, sowie zu respektieren und in Ansätzen erfahren zu haben, dass mit ABS nur innerhalb enger Grenzen ein Bremsen in Schräglage im Regelbereich des ABS möglich ist.

Bremsen in Schräglage muss also entsprechend dosiert mit beiden Bremsen erfolgen und erfordert Lenkkräfte des Fahrers, die das auftretende Lenkmoment ausgleichen, wenn die Kurvenlinie gehalten werden soll.

Eine weitere Möglichkeit kann die Vollbremsung nach vorherigem Aufrichten der Maschine sein, vorausgesetzt die Fahrgeschwindigkeit ist relativ niedrig und es ist ausreichend Platz vorhanden.

Quellen:

ADAC, MEX, Die Zeit, Motorrad, Bartz Rennstreckentraining
 

Brackel

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Letzte Änderung

Letzte Änderung am 30.12.2016